13.-16.05.2016 - Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

On: 17/07/2016

Kunstblut, tausend Fotos und die Qual der Wahl

Mein ganz persönlicher WGT-Rückblick

Ist es schon Ende Juli? In den letzten habe ich wohl hunderte Bilder bearbeitet und in Alben für die Schwarze Presse zusammen gestellt, zuletzt nun tatsächlich das Fotoalbum zum Konzert von Agonoize. Was für ein spektakulärer Abschluss für dieses, das fünfundzwanzigste, Wave Gotik Treffen!

Ich schaue mir die Bilder noch einmal an und wie in einer Zeitmaschine sehe ich wieder alles vor mir. Was gab es denn nur wieder für fantastische Momente? Einer der lustigsten ist wohl mein Zusammentreffen mit meinem ahnungslosen Schweizer Kollegen. Als kurz vor dem Agonoize-Gig ein Ordner auf uns wartende Fotografen zukam und sagte "Hey, alle mal hergehört, ab dem dritten Lied gibt es Blut, bitte verlasst den Fotograben rechtzeitig!" stupste mich der Eidgenosse an und fragte "Was hat er gesagt? Blut? Was meint er…?". Ich zeigte ihm nur unaufgeregt meine sorgfältig in Regenschutz verpackten Kamera und sah, kurz bevor das Licht abgedunkelt wurde und das Konzert begann, in zwei völlig schockierte Augen.

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Tja, und nun ist alles schon wieder vorbei … ich sitze in meinem Auto und fahre auf ein letztes Bier in die Moritzbastei. Hoffentlich werde ich nicht von irgendeinem Polizisten angehalten, denn so "blutüberströmt" - das würde er wohl nicht verstehen…

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Zeit euch ein bisschen mehr von meinem WGT 2016 zu berichten.

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Mein WGT-Rückblick begann schon im April mit einer Facebook-Nachricht: "Hey mein Alter, wir haben Deine Akkreditierung fürs WGT!" Meine Freude war riesig, kurze Zeit später mischte sie sich jedoch mit Panik. Meine Redakteurskollegin dürfte mich leider nicht begleiten und so fraß nicht nur die Bearbeitung der Fotos meine vergangene Freizeit, sondern auch dieser Text.  Konnte ich nicht nur hinter der Kamera überzeugen, sondern auch in Wort und Schrift? Das 25. Treffen schien für mich als regelmäßigen Gast zur Feuertaufe zu werden.

Vorbereitung ist ja alles! Das 25. Wave Gotik Treffen bringt so viele spannende Programmpunkte, so viele großartige Bands, so viel Einzigartiges mit sich...  Wie, fragte ich mich oft, sollte ich mir auch nur annähernd ganz allein einen vernünftigen Eindruck verschaffen?!

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Das WGT begann. Meine Zweifel, für mich das richtige Programm gewählt zu haben, waren immer noch da. Gleich am ersten Tag war ich mit der Wahl der richtigen Location überfordert. Vielleicht ging es euch auch so, aber ich stand schon am Shuttlebus an der Agra und war mit einem Fuß schon auf dem Weg zum Eröffnungsspektakel im Freizeitpark Belantis, da spulte ich im Kopf noch einmal allle weiteren Varianten ab: Darkflower, Sixtina, Moritzbastei... Vor den Bussen bildeten sich riesige Trauben… Aber Belantis? Und was ist mit den Clubs, die die Szene das ganze Jahrbeleben? Ich entschied  doch nicht einzusteigen und für das “Schwarze Leipzig Tanzt” in der Moritzbastei und wurde nicht enttäuscht.

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 Erste WGT-Party geglückt. Das Publikum in der Moritzbastei ließ erahnen, welch verrückte und schöne Menschen ich in den nächsten Tagen noch vor die Linse bekommen würde.

 Freitag erholte ich mich jedoch erst einmal im Haus Leipzig mit einem spannenden Vortrag von Lydia Benecke

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Während der Lesung nahm meine innere Uhr Fahrt auf. Eine Stunde nach der Lesung wollte ich im Kohlrabizirkus sein, doch da war ja noch das Viktorianische Picknick... Im Stechschritt nahm ich die die Wege wie sie kamen, mein Blick immer suchend rechts und links. Beim Viktorianischen Picknick sah ich einige bekannte Kostüme aus den Vorjahren und auch vieles Neues, dabei alles mit Liebe zum Detail. Auch wenn ich im Vorbeilaufen fotografiere, lasse auch ich diese nicht aus den Augen. 'Wieviel Zeit hab ich noch? Ach, ein Foto geht noch...'

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Im Kohlrabizirkus war der Andrang am Einlass riesig. Zugegeben: Wenn man etwas in den letzten Jahren hätte lernen konnte wäre es wohl gewesen: "Wer zuletzt kommt, den beißen die Hunde."  Hätte... diesmal hatte ich meine Chance verpasst.

Kein Problem für mich, ich konnte mich ja kurz zuvor schon nicht von den aufwändigen Kostümen der Treffenbesucher auf dem Viktorianischen Picknick lösen. Traditionell wird in Leipzig auch nach 25 Jahren immer noch geschaut und gegafft, aber auch verführt. Manch aufreizendes Outfit brachte die Passanten dazu, die Kamera zu zücken und den Erinnerungsspeicher zu füllen. Und immer war ich mit dabei - hier der Beweis.

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Am späten Nachmittag konnte ich mich lösen und düse zur Agra. Patenbrigade Wolf zählen zu den heimlichen WGT-Highlights vieler Besucher - auch mir ging es so. Bierkästen werden aufgestapelt und abgeräumt, literweise Bräu vergossen, dazu wummern harte Beats und mehr oder minder sinnhafte Texte... Die Agra war nun heiß für alles, was da an diesem WE noch kommen würde. Sexorcist zum Beispiel.

Nachdem ich das Rohmaterial für die Sexorcist-Galerie im Kasten hatte, fuhr ich zur Parkbühne. Dernière Volonté spielten an diesem warmen Sommerabend, ich entspannte mich kurz, fotografierte Band und Menschen, dann hielt es mich nicht mehr. Auf meinem Programmplan dick eingekreist: Haujobb, im Kohlrabizirkus, first come, first serve. Also ging es wieder weiter. 

Haujobb begeisterten das WGT-Publikum so wie mich jedes Mal. Trotz der Enge in den vorderen Reihen stand niemand still, die Luft war zum Schneiden, egal. Ganz ehrlich: Die Leipziger hatten die Menge genauso im Griff wie die Helden von Project Pitchfork, die auch mit starker Setlist das WGT-Publikum forderten.

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Das kontrastreiche Programm war bis hierher sehr anstrengend. Rechtzeitig am Einlass sein, rechtzeitig am Graben sein, den Zeitplan im Auge behalten und auch die Menschen im Auge behalten. Ich hätte theoretisch schon jetzt müde ins Bett fallen können. Doch heute war Mitternachtskonzerttag und einer der Bauhaus-Musiker und wohl damit einer der Einflussgeber des Gohtic-Genres lud in die Agra-Halle: Peter Murphy. Im Gegensatz zu den harten Electroklängen der letzten Stunden erwarteten mich Live-Musik von einem Gitarristen, einem Drummer, einem Bassisten und natürlich die eindrucksvolle Stimme Murphys. Neben alten Bauhaus-Klassikern und eigenen Stücken spielte er auch Coverversionen, so Nine Inch Nails Hurt und David Bowies Space Oddity. So ausdrucksstark hatte man, auch zu den immer atmosphärischen Mitternachtskonzerten, selten Musiker performen sehen. Was für ein lohnenswerter Abschluss für diesen WGT-Freitag!

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Samstag zog es mich zuerst in den Kohlrabizirkus, wo Crematory, zeitgleich mit dem WGT, ihr 25. Jubiläum feierten. Mir schien, als würden die Gans jedes Lied können und spätestens bei der Zugabe, natürlich Tear Of Time, trällerte auch ich fröhlich mit. Wieder einmal bemerkte ich, wie vielfältig das WGT und seine Besucher doch sind. Standen am Vortag noch herausgeputzte Goth' neben mir, versammelten sich jetzt hier im Kohlrabizirkus Metalheads und schwangen ihre Mähne gemeinsam mit Altgothen. Soviel Harmonie tut doch wirklich mal gut!

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Ab ging es zur Agra, wo die Krupps schon auf mich warteten. Die seit den 90ern gefeiert EBM- und Industrialhelden brachten die Menge zum Kochen und jubelten in den höchsten Tönen, als Keyboard und Gitarre, wie so mancher WGT-Besucher, nach dem Konzert zerstört waren. Seit 35 Jahren kompromisslos, auch das bringt eine bunte Mischung ins Publikum. Hier eindeutig Jung und Alt.

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Der Samstag endet für mich heute mal zeitiger. Nach einem Abstecher zur Gothic Pogo Festival im WerkII fiel ich ins Bett.

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Am Sonntag war mein erster Anlaufpunkt am Nachmittag die Agra. Lang schlafen, schön! Ich traf einen alten Bekannten: Chris Harms von Lord Of The Lost sah ich nicht zum ersten Mal. Im Darkflower als DJ hinter dem Pult, stand er nun mit seiner Band auf der Bühne, vor ihm eine knackevolle Agra-Halle und lauter spannende Treffengänger in fantasievollen Kostümen. Kein Wunder, denn auch die Band ist - wie immer - fantasievoll gekleidet. Neben Iro, futuristischen Kostümen und rockigen Klängen singen die WGT-Besucher zu eingängigen Refrains und teilweise harten Riffs. Hier blieb der Spaß nicht auf der Strecke. Auch wenn in dieser Halle alle mehr als böse gucken konnten, am Ende feiern sie ein Hitfeuerwerk.

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Nach Lord Of The Lost machte ich noch ein paar Fotos auf der Agra

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Danach ließ ich im Schauspielhaus meine schmerzenden Füße langgestreckt und genoss die weichen Sitze. Peter Yates feat. Evi Vine konnte einen schon verzaubern. Die Augen wurden schwer doch lösen konnte ich sie nicht. Ich entspannte und zog langsam weiter - in die Agra, wo Diary of Dreams als weiteres Highlight schon auf mich warteten. Adrian Hates und Co. rockten sich durch den Abend, schufen Gänsehautmomente und wirkten dabei immer ein wenig schüchtern. Mit aufwändiger Lightshow und toller Stimmung zogen sie das Publikum in den Bann ihrer Songs und zauberten zufriedene Kächeln auf die Gesichter ihrer Fans.

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Den Montag begann ich, noch ganz verzückt von den Freuden des Vortags, mit einer weiteren Tradition: Den Schlangen vor der Lesung von Mark Benecke. Diesmal habe ich Glück. Als gebranntes Kind kam ich rechtzeitig und begehrte einen der wohl meistumkämpften Plätze des Treffens.

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Im Täubchenthal erwarteten mich ein paar alte Bekannte, so kam es mir zumindest vor, denn The Fright sind aus der Leipziger Szene auch nicht so wirklich wegzudenken. In der schönen Location im Westen spielten sich die Horrorpunker, die schon mit Größen wie The Blitzkid, The Other, Bloodsucking Zombies From Outer Space oder Ghoultown touren durften, mal wieder die Seele aus dem Leib. Was soll ich sagen, Horrorpunk auf dem WGT ist immer einer der unterhaltsamsten Momente im Line-Up und so genoss ich den Gig zwischen Skeletten und Loveskulls.

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Wie auch Lon Fright legte Der Schulz von Unzucht mehrere Male in meinem Lieblingsclub, dem Dark Flower auf. Also noch so ein Heimspiel, hier in Leipzig? Es sah so aus! Unzucht fühlten sich bei Ihrem Auftritt im Rahmen des WGT sichtlich wohl und begeisterten das auffällig weibliche Publikum. Stagediver, Mädchen in Uniform und eine sensationelle Stimmung waren der Dank für ein schönes Konzert.

Vor meinem persönlichen Abschlusshighlight, Agonoize, zog es mich noch ein letztes Mal ins Heidnische Dorf, wo ich nach einem Regenschauer mit Freunden gut gemachtes Essen und mittelalterliche Klänge genoss. Und wie das WGT mit Agonoize für mich ausging (nämlich mit einem meiner persönlkchen Highlights!) wisst ihr ja nun auch...

Hier findet ihr all unsere WGT-Bildergalerien (in chronologischer Reihenfolge):

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-lydia-benecke.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-viktorianisches-picknick.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-patenbrigade-wolff.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-sexorcist.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-derniere-volonte.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-haujobb.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-project-pitchfork.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-peter-murphy.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-crematory.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-die-krupps.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-lord-of-the-lost.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-peter-yates.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-diary-of-dreams.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-dr-mark-benecke.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-the-fright.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-unzucht.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-agonoize.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-agra.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-heidnisches-dorf.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/25wgt-city.html

http://www.schwarzepresse.de/index.php/component/joomgallery/events-konzerte/1405-160516-gothic-pogo-festival-xi.html

 

 

 

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