„Sex, Drugs and Rock’n’roll – der Musiker-Live-Style“

On: 07/11/2012

 „Rockstars – das sind verrückte Typen, die lange schlafen, bei Bier und Zigaretten mal ab und an n bissl Klampfen und einen Song schreiben. Dann noch ab und an ein Konzert für viel Kohle spielen und fürs Merchandising und für die CD gibt’s ja auch noch Geld.“ Auf wenige Individuen, die immer wieder gerne von der Presse von allen Seiten beleuchtet werden, weil sie so bereitwillig für Skandale sorgen, mag das durchaus zutreffen. Auf die meisten Musiker trifft aber nur eins davon zu: Sie sind verrückt.

 

  1. Verrückt nach ihrer Musik. Herzblutmusiker können einfach nicht anders, sie müssen ständig an Musik denken. Wie sich das äußerst, ist unterschiedlich: einfach Songs schreiben zu müssen, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man einen Tag mal nicht geübt hat, bei jeder Gelegenheit am eigenen Instrument zu sitzen und darauf mindestens zu spielen, meistens zu üben… kurzum, sie können sich ein Leben ohne Musik einfach nicht vorstellen.

  2. Verrückt nach der Bühne. Insbesondere für die Frontmänner und –frauen unserer Zunft eine starke Droge: Die Aufmerksamkeit der Massen. Wenn man es schafft, viele Menschen mit dem, was man tut, zu begeistern und sie mitzureißen, ist das etwas ganz großartiges.

  3. Verrückt genug, an die eigene Idee zu glauben und jenseits von monetärer Vernunft dafür zu arbeiten. Hier beginnen sich die Hobbymusiker von denen zu trennen, die wirklich nach oben wollen und begriffen haben, was das bedeutet.

 

Eine Band ist nämlich lange nicht nur Spaß. Ein Musiker muss, wenn er erfolgreich sein will, ein paar Erwartungen erfüllen. Zum einen die vom Publikum. Das möchte nämlich gerne unterhalten werden. Eine gute Show sehen. Und das geht nur, wenn man im Vorfeld alles gut geübt hat, auf der Bühne Herr seiner Sinne ist und stetig weiter daran arbeitet, seine Performance zu verbessern. Gegen 1-2 Bier bei der Probe oder beim Konzert sagt niemand etwas: Aber reine Partyproben oder Auftritte im volltrunkenen Zustand sind ein no go.

 

Außerdem wären da noch die Erwartungen der Veranstalter. Die hätten nämlich gerne ein möglichst volles Haus, damit sich der Abend auch lohnt. Außerdem möchten sie der Band im Vorfeld nicht hinterherlaufen, sondern eine gute organisatorische Abstimmung, damit am Konzerttag nichts schief geht. Und ein verwüsteter Backstagebereich macht sich auch nicht sonderlich gut. Das heißt für die Band: Sie muss sich mit um die Promotion kümmern, denn wenn keiner von ihnen weiß, dann kommt auch keiner zu ihren Konzerten. Sie braucht vorbereitete Informationen für die Presse und für den Veranstaltungstechniker sowie jemanden, der für Fragen und Absprachen der Ansprechpartner ist. Und dass die Band auch beim Abbau noch weiß, was sie tut, setzt ebenfalls einen halbwegs kontrollierten Alkoholkonsum voraus – und schließt fast alle Drogen aus. Außerdem sollte auch noch jemand in der Lage sein, das Bandauto zu fahren.

 

Zu einem Auftritt muss es aber erst einmal kommen. Mal ehrlich: Wo gibt es denn einen reichen Manager, der die Proberäume dieser Welt abklappert, mal guckt, was die Bands dort treiben und bei Gefallen die Truppe groß rausbringt? Ich kenne niemanden. Eine Band ist erst dann für einen Manager interessant, wenn sie Geldeinnahmen verspricht. Und das tut kein Newcomer. Also heißt es zunächst: Selbst ist die Frau/der Mann. Das bedeutet: stundenlang am Telefon hängen und Veranstaltern zu erklären, dass man ein toller Abendact für sie wäre. Den Veranstaltern dann entsprechendes Material zuschicken, Gastspielverträge aushandeln. Seine Webpräsenzen ständig pflegen und aktualisieren, damit man den Fans und Veranstaltern auch etwas zu bieten hat. Sich Marketingideen einfallen zu lassen und diese umzusetzen. Kurzum: Der organisatorische Aufwand nimmt etwa die gleiche Zeit in Anspruch wie die Musik selbst. Wenn nicht sogar mehr. Dieser unangenehme Rattenschwanz ist aber noch nicht alles: Kommen wir zum Thema Geld. In der Anfangszeit, und damit meine ich nicht ein paar Wochen, sondern gerne die ersten Jahre, tut eine Newcomerband das alles OHNE einen Cent daran zu verdienen. Im Gegenteil: Jeder entbehrliche Euro wird in das Projekt hineininvestiert in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Für eine gute Promo braucht es nämlich einige Materialien. Zunächst einmal anständige Hörproben. Ein gutes Studio arbeitet nicht für umsonst- hier werden gleich die ersten Tausender begraben. Der Proberaum kostet Miete. Instrumente haben Verschleiß (vor allem Schlagzeuge) und der eine oder andere Euro wird auch für die passende Technik benötigt. Für eine vernünftige Außenwirkung muss früher oder später ein professioneller Grafiker ans Cover und Booklet, an die Website etc. Damit der Live-Sound gut ist, braucht es einen Live-Techniker, der auch nicht für umsonst arbeitet. Ein paar Euros für ein stimmiges Bühnenoutfit und Deko wie Banner sollte man auch einkalkulieren. Und um richtig voran zu kommen, reicht es auch nicht, nur selber zum Telefonhörer zu greifen, sondern es braucht Profis aus dem Musikbusiness mit den richtigen Kontakten – die auch nicht für umsonst arbeiten. Dagegen die Einnahmen: Anfangs freut man sich über jedes T-Shirt, was man verkauft. Die Gagen gehen meist nicht groß über die Spritkosten hinaus, die man hatte, um zum Veranstalter zu kommen – denn der hat mit einer unbekannten Band auch kaum Einnahmen. Um eine bekannte Band auf einer Tour zu supporten, wird man schnell auch mal einen fünfstelligen Betrag los. Kurzum: Du arbeitest erstmal wochen- und jahrelang für umsonst. Und niemand garantiert dir, dass es sich am Ende wirklich auszahlt. Sich nach einem 10-12stündigen Arbeitstag zu fragen, wovon man seine Miete eigentlich bezahlen oder die Zeit für einen Job hernehmen soll, ist nämlich kein wirklich sexy Gefühl. Für Newcomer aber leider absolut normal.

 

Manchmal, z. B. wenn es Absagen hagelte oder ich einen Tag vertelefoniert und überhaupt nichts erreicht habe, dann frage ich mich: „Janika, warum machst du das eigentlich alles. Du könntest ein viel einfacheres Leben haben. Mit sicherem Einkommen und kürzeren Arbeitszeiten.“ Dann lege ich unsere Aufnahmen in den CD-Player und höre zu. Oder setze mich ans Klavier. Oder schaue mir Bilder vom letzten Auftritt an und erinnere mich daran zurück, wie es war, dort auf der Bühne zu stehen. Und dann weiß ich wieder warum. Und arbeite weiter. Kontinuierlich, nach dem Motto: Zwei Schritte vor, einer zurück. Im festen Glauben, irgendwann meine Ziele zu erreichen.

 

Autor: Janika Groß
Read 5004 times Last modified on 07/11/2012

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